„Ach du alter Säufer! Wovon träumst du bei Nacht?“
„Glaubt mir Kampfmagier Migol! Eine Sumpfhexe! Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen!“, schwor der rotnasige Greis, während die restlichen Gäste der Taverne über ihn lachten. „Wirt! Ich dachte, dein Gasthaus nennt sich Zum Schunkelnder Eber und nicht Zum Verrückten Greis?!“, machte sich Migol der Magier lustig. Sein kehliges Lachen trieb den Alten die Zornesröte ins Gesicht. Spuckend brüllte dieser lauthals gegen das Gelächter an: „Wenn ich es euch doch sage! Eine Hexe! In Macht und Gestalt einer Göttin gleich, sie lebt im Sumpf jenseits des Toten Waldes!“ „Wendel du alter Spinner!“, mischte sich der Wirt ein. „Lass meine Gäste zufrieden und erzähl deine Märchen wo anders!“ Mit einen lauten Knall schlug er seine Pranke auf den speckigen Holztresen. „Das sind keine Märchen!“, blökte Wendel zurück. „Wenn die Sumpfhexe so schrecklich und mächtig ist, wie kommt es, dass du noch am Leben bist?“, wollte der Kampfmagier wissen. „Nun was glaubt Ihr wohl?! Als ich das Monstrum erblickte, nahm ich die Beine in die Hand und lief, ohne mich umzusehen!“ Ein schallendes Lachen donnerte durch die schummrige Stube der Taverne. „Mein Herr Migol!“, rief der Wirt durch den halben Raum. „Bringt den Kopf dieser Hexe und ihr esst und trinkt den Rest eures Lebens zechfrei!“ Mit feuchten Augen hielt er sich den Wanst vor Gegacker. Wendel flüchtete sich aus der verqualmten Gaststube, in der sich das Gejaule der
Lachenden immer weiter hochschaukelte, mit jedem spöttischen Witz, der über seine Geschichte und ihn gerissen wurde.
„Euer Angebot gefällt mir Wirt! Vielleicht schaue ich mir diesen Sumpf mal an.
Bestimmt finde ich die Sumpfhenne, die diesem armen Irren einen solchen Schreck eingejagt hat“, verkündete der Kampfmagier. Schon am nächsten Morgen brach er in voller Rüstung auf. Er durchquerte den Toten Wald, der seinen Namen den vielen nackten Bäumen verdankte, aus denen er bestand. Das dichte Dornengebüsch des Unterholzes bescherte ihm Muhe, Schmerz und Ärger. Langsam glaubte er, dass der Lügner, aus der Taverne, nicht einmal in der Nahe des Sumpfes war. Vielleicht kannte der Narr aber einen besseren Weg durch das Dickicht. Migol brauchte auf jeden Fall mehr als den halben Tag durch den Wald und als er endlich den Rand des Sumpfes erreichte, Versteckte sich die Sonne bereits hinter den Bergen im Südwesten des Landes. Die ganze Region lag im Schatten und der vom feuchten Boden
aufsteigende Nebel, erschwerte die Sicht auf gefährliche Weise. Immerhin war man in diesem Moor nur einen falschen Schritt weit von einem feuchten Tod entfernt. „Gladius inflamare!“, sprach er mit dramatischer Betonung und streifte mit der flachen Hand über die Hohlkehle seines Langschwertes. Die Klinge ging in Flamen auf und er benutzte sie als Fackel, um den Schatten zu vertreiben. Vorsichtig tastete er sich voran, durch das Feuchtgebiet. Er bevorzugte den Boden, der von Wurzeln durchwuchert war. Diese Flecken boten einen stabileren Untergrund. Hätte er den Halt verloren und wär ins Wasser gefallen, wäre er von seiner eigenen Ausrüstung ertränkt worden, dies galt es unbedingt zu vermeiden. Kröten hüpften von seinen Füßen davon und tauchten mit lauten Platschen ins Wasser.
„Wahrscheinlich hat den Säufer nur eine dieser fetten Unken erschrocken“, dachte der Magier. Die Nacht hielt Einzug in den Sumpf und Migol kam an einem großen Wasserloch, unter dem Geäst eines mächtigen Baumes an. Schlagartig verspürte er eine Präsenz. Er vermochte nicht zu sagen, ob er etwas Derartiges je zuvor vernommen hatte. Nein, er war sich sicher, so etwas Beunruhigendes spürte er noch nie. Plötzlich begann sich die Wasseroberfläche zu bewegen, ein Vibrieren erschütterte die Umgebung und ließ Laub durch die Luft flattern. Vor dem Kampfmagier tat sich das Wasser auf und das Deckhaar eines gewaltigen Kopfes durchbrach die Oberfläche.
Lange, schwarze Haare wanden sich wie gierige Schlingpflanzen auf dem Wasserspiegel, während sich funkelnde Augen öffneten und sofort den vor Anspannung bebenden Magier fixierten. Nur bis zu den Schultern entblößt, überragte das weibliche Geschöpf ihn um eine Mannshöhe. „Wer bist du? Hexe!“, brüllte er, mit dem Kopf im Nacken. „Du wagst es, in mein Reich einzudringen, mit gezückter Waffe?!“, donnerte die Stimme des Wesens, wobei schwarzer Morast aus ihrem Mund floss. „Ich bin nichts der Gleichen!“
„Was bist du dann!“, schrie er, verunsichert den Griff seines Flammenschwertes umklammernd.
„Ich bin Umora! Göttin des Sumpfes! Und du wirst jetzt sterben!“
