Schon bevor die Randgebiete der Stadt aus dem Schatten des rauen Bergmassivs getreten waren, lag ein ätzender Geruch von verbranntem Gummi und Chemikalien inder Luft.
Er biss ihnen in die Lungen und zwang sie dazu, sich ihre Tücher über Mund und Nase zu ziehen.
«Sehen wir es uns trotzdem an?» Resignation und Enttäuschung schwangen in Mikes Stimme mit.
Khalid zuckte mit den Schultern. «Was bleibt uns anderes übrig? Wir haben fast kein Wasser mehr.»
«Also verrecken wir hier oben oder da unten», stellte Mike ernüchtert fest. «Beschissene Aussichten.»
«Warten wir doch erstmal ab», sagte Elfie, die wie immer auf dem Boden hockte, um nicht über den Rand des Korbes schauen zu müssen, wenn es nicht unbedingt nötig war.
Auch nach der langen Zeit, die sie mit dem Ballon unterwegs waren, vermochte sie ihre Höhenangst nicht abzuschütteln. Dabei hieß es doch, man müsse sich seinen Ängsten stellen, um sie zu überwinden. Für sie war das ausgemachter Humbug. Schließlich
waren es ihre Knie, die nach wie vor schmerzhaft und im Takt mit ihrem rasenden Herzen aneinander schlugen.
Langsam zogen die letzten Ausläufer des Höhenzuges vorbei und ihnen wurde ein erster Blick auf das Land dahinter geboten.
Ihre Nasen behielten recht. Aus großen Teilen der urbanen Landschaft waberte Rauch in den Himmel empor und sammelte sich in einer dunstig gelblichen Glocke über der Stadt.
«Diese Idioten», knurrte Khalid. «Ich werde es nie verstehen, warum Menschen Feuer legen und die knappen Ressourcen anderer verbrennen. Was haben sie davon?»
«Wir reden über Menschen!» Mike spuckte aus. «War es jemals anders? Adam und Eva mampfen den Apfel, der sie aus dem Paradies befördert und wir verbrennen alles, was uns am Leben halten kann. Seien es Bäume, Nahrungsmittel oder Häuser. Der Mensch konnte schon immer eines am besten: Den Ast absägen, auf dem er sitzt.»
«Seit wann so philosophisch?», erkundigte sich Elfie.
«Das ist keine Philosophie, das ist eine Tatsache!», erwiderte Mike. «Wir sind auch Menschen», erinnerte ihn Khalid.
«Ja, einzelne. Die sind nicht so schlimm. Übel wird es erst, wenn sie in Massen auftreten», erwiderte Mike. «Vereinzelte Intelligenz, kollektive Dummheit.»
«Das ist jetzt aber wirklich philosophisch», gab Elfie zu bedenken.
«Nenn es, wie du es willst. Mich kotzt es an.»
Ihr Ballon schwebte mittlerweile weit genug hinter der Felsformation hervor, dass sich die gesamte Stadt vor ihnen ausbreitete. Die Rauchentwicklung erstreckte sich über das
komplette Areal, zumindest soweit der Qualm ihnen die Sicht darauf gewährte.
«Verflucht!» Khalid fuhr sich mit den Händen durch seine spärliche Haarpracht. «Hier finden wir sicher kein Wasser. Und falls doch, dann geben sie es uns bestimmt nicht freiwillig.»
Mike kniff die Augen zusammen und betrachtete die vor der Stadt liegende Wasserfläche. «Der See ist tot, da brauchen wir es auch nicht versuchen.»
Unrat und aus der Höhe undefinierbarer Schaum dümpelten an den Ufern und dazwischen schillerte die Oberfläche in allen Farben des Regenbogens ölig zu ihnen herauf. Ein schönes Farbspiel, wenn es nicht bedeuten würde, dass vermutlich jegliches Leben in dem Gewässer ausgelöscht war.
«Ich schmeiß den Umwandler an», seufzte Elfie.
«Ich hab es so satt, dass zu trinken, was ihr ausscheidet.»
«Wenn du eine bessere Idee hast, dann immer raus damit», forderte Khalid. Mike winkte ab. «Wohin jetzt?»
«Ist doch egal. Lass den Wind entscheiden.»
Mike seufzte und zog an der Leine. Die Flamme loderte auf und sandte einen Schwall heißer Luft in den Ballon und ließ diesen wieder aufsteigen. Weg von der brennenden Stadt.
Weg von der Hoffnungslosigkeit. Raus aus dem Dunst der Menschheit.